Die Frage im Titel ist selbstredend rhetorisch. Einerseits. Denn wer intensiv oder beruflich Yoga macht, lässt sich auf mentale Entwicklungsprozesse ein, die zum einen das Selbst, zum anderen den Umgang mit den Mitmenschen und -tieren positiv beeinflussen (können).
Andererseits darf und will ich diese Frage unbedingt in den Raum stellen. Einen Raum, der durch eine wachsende Zahl an Weltverbesserer-Medien den Anschein erweckt, alle müssten wir Yoga-Treibenden immer und überall mit einem inneren Lächeln, mit durchdringender und alles umfassender Glückseligkeit gesegnet sein.
Aber das ist nicht mehr menschlich. Sondern grenzt jene aus, die (noch) nicht so weit auf dem happy way sind.
Wir westlichen Yoga-Fans, wir Besser-Esser und Bewusster-Konsumierer existieren in Wahrheit doch auf allen Ebenen weit entfernt vom Dasein als buddhistischer (christlicher, hinduistischer … hier Lieblings-Religion einsetzen) Mönch und/oder Eremit, der sich in Jahren des Studiums, der Selbstreflektion, der Versenkung und des Rückzugs eine gewisse Erhabenheit vom Weltlichen erarbeiten kann. Der mit einem erhellenden Glow vom Gipfel der Wenigen herab auf die profane Welt lächelt. Und wer von uns weiß denn schon, ob Launen, gute wie schlechte, nicht auch in Tibets Klostern und Indiens Ashrams ab und an zum Alltag gehören.
Wir in unseren westlichen Hemisphären haben es Tag um Tag mit vielen und viel komplexeren direkten Reizen, Ansprüchen, Herausforderungen und Problemen zu tun. Meditieren schaffen die Wenigsten, und wenn, dann vielleicht eine halbe Stunde täglich, manchmal monatlich. Wenn es hochkommt.
Die meisten von uns, Yogalehrer eingeschlossen, haben einen Beruf, einen Vorgesetzten, eine Familie, einen Haushalt zu bewältigen. Das ist ein Leben, in das sich zu Recht jeder mehr Glück oder Zufriedenheit wünscht; daher die Vielzahl aktueller Medien, die uns dabei helfen wollen. Das ist aber gleichzeitig ein Leben, in dem genau dieses Ziel besonders schwer erreichbar ist. Wer es trotz all der Alltags-Schwierigkeiten schafft, hin und wieder wenigstens zufrieden zu sein und ganz, ganz manchmal sogar richtig, richtig happy – der ist wahrhaft ein Glückspilz.
Yogalehrer und -lehrerinnen machen da keine Ausnahme. Was sie – anders als viele – unter gewissen Umständen allerdings leisten können, sofern sie sich der Techniken bedienen, die ihnen das Yoga anbietet, ist ein vergleichsweise hohes Maß an Reflektion. Die Möglichkeit, jedwede Stimmungslage und Reaktionen auf die Umwelt zu hinterfragen. Sie eventuell aufzulösen. Die Wirklichkeit hinter der Befindlichkeit bei Bedarf zu ergründen und sich mit den darin verborgenen Botschaften auseinanderzusetzen. Mehr nicht.
Und kaum habe ich das geschrieben, erreicht mich folgende PR-Meldung:
In diesem eben erschienenen Buch haben zwei Autoren von der City University London aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen zum "Wellness-Syndrom" zusammengefasst. Sie zeigen, wie das gerade omnipräsente Streben nach dem Besseren (Essen, Leben, Körper …) auch diskriminiert, ausgrenzt und unglücklich machen kann.
Und das kann niemals Sinn des Yoga sein. Denn Yoga bedeutet: Einheit, Verbundenheit, Ganzheit.
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